SIBYLLE PRESTEL - ZÜRICH

Wie hast Du zu diesem Beruf gefunden?

Durch meine Eltern wurde ich schon früh auf das Thema Architektur sensibilisiert. Sie liebten es, in den Ferien alte und bekannte Bauwerke zu besichtigen. Ich erstaunlicherweise auch. Während meines längeren Italienaufenthaltes in den 90ern habe ich mein erstes Farbkonzept realisiert. Durch die spätere Arbeit als Event Managerin wurde ich wegen der Szenografie-Konzepte definitiv zur Raum-Enthusiastin. Wohl deshalb bin ich heute auch mit Farbe, Material & Licht unterwegs. Den Innen- & Aussenraum ganzheitlich zu beeinflussen und zu gestalten, ist meine persönliche Herausforderung.

Wie entwickelst du ein Farbkonzept? Woran orientierst du dich?

Mit einer sorgfältige Analyse der Architektur, seiner geplanten Funktion und des geschichtlichen und/oder städtebaulichen Kontextes beginne ich das Gestaltungskonzept. Bevor ich die Farbwahl angehe, ist die grobe Setzung der Helligkeit ein erster Schritt. Zusammen mit einem allfälligen Lichtkonzept. Danach sind die Qualität und Eigenschaften der Materialien sowie Farbe & Sättigung an der Reihe. Eine starre Abfolge gibt es jedoch nicht. Ähnlich einer Tanzchoreografie entwickelt sich mein Konzept durch den Erarbeitungsprozess und den regen Austausch mit den Projektpartnern. Die Gestaltung soll sich zum Schluss hin selbstverständlich und nachhaltig präsentieren.

Mit welchen Hindernissen kämpfst du als Farbgestalterin?

Dass eine Farbgestaltung doch Luxus sei, habe ich bei der Vorstellung meines Portfolios schon gehört. Was leider ein Vorurteil ist. Im Bau sind IMMER Farbentscheide notwendig. Diese Farbentscheide professionell anzugehen und gesamtheitlich zu betrachten, empfinde ich nicht als Luxus. Sondern als nachhaltiges Instrument, eine Architektur sorgfältig und der hohen Investition gerecht zu planen und zu realisieren.

Was hälst du von Trendfarben wie z.B. die NCS Colour Trends und wie gehst du in der Praxis damit um?

Um eine nachhaltige Farbgestaltung zu erreichen, d.h. eine über längere Zeit spannende Wirkung zu behalten, sind reine Trendfarben eher ungeeignet. Beeinflusst werden wir aber alle durch Farbtrends in der Mode und noch mehr durch Möbelstoffe & -farben. Auch Material-Kollektionen verändern sich über die Jahre hinweg. Da ist es nicht auszuschliessen, dass sich eine bestimmte Farbnuance in diesem Jahr mehr in die eine, fünf Jahre später mehr in eine andere Farbrichtung bewegt.


Projekt 1: Rest. Schipfe 16, Zürich

Bauherr: Sozialdepartement, St. ZH Architekt: Christoph Heuer, AHB

Fotos: BAZ Zürich (©Stadt Zürich)

Das Restaurant Schipfe 16 ist ein Arbeitsintegrationsangebot der Stadt Zürich, mit Arbeitsplätzen für erwerbslose Sozialhilfebeziehende, stellenlose Jugendliche und Menschen mit Behinderungen. Im historischen Quartier an der Limmat wurden im 16. Jh. Seiden- und Wollstoffe hergestellt, das Handwerk ist heute noch präsent. Farblich inspiriert von den Schmetterlingen der Seidenspinner-Raupen, holt das Konzept die Farbe Rot neu in den Fokus. Eine textile Wandbespannung, die neuen Einbauschränke sowie die Getränketheke mit unterschiedlich verlegten Eichenfurnieren sind handwerkliche Höhepunkte. Ergänzt wir das Farbkonzept durch die intime Akzentbeleuchtung sowie den, an Kokons erinnernde Objektleuchten.

Projekt 2: Wellnessbereich, Bubikon

Bauherr: Privater Auftraggeber

Bauleitung: Hintermann, Wolfhausen
Fotografin: Sibylle Prestel 

Als kleiner und feiner Rückzugsort bietet sich der neue Wellnessbereich im Unter-Geschoss des Einfamilienhauses in Bubikon an. Die gedämpfte Atmosphäre wird einerseits durch eine zurückhaltende Farbstimmung erreicht, welche sich aus dem früher erarbeiteten Farbkonzept im Haus ableitet.

Das ergänzende Lichtkonzept betont die Raumbegrenzungen und lässt den Ruhebereich im Dunkeln.

Die Entspannung nach dem Saunagang ist so garantiert. Das Raumvolumen bleibt mit dieser Lichtführung präsent und ablesbar. Die rückwärtige Bruchsteinwand aus Travertin wird durch das Streiflicht aufgehellt und für das Auge haptisch erfahrbar.

Projekt 3: Wohnsiedlung Zilstrasse, St. Gallen

Bauherr: Pensimo Management AG, Zürich

Fotografin: Sibylle Prestel

Zwei Mehrfamilienhäuser in St. Gallen werden einer Strangsanierung unterzogen. Zu einer bestehenden Fassadengestaltung erarbeitete raumfarbe.ch zwei Farbklänge für Treppenhäuser und die ergänzende Fassadengestaltung des zweiten Hauses. Zum Auftragsperimeter gehört auch die Bestimmung der Materialien von Küchen und Bäder in den Mietwohnungen sowie die farbliche Auffrischung der Tiefgarage. Die beiden neuen Farbfamilien basieren auf den vorhandenen Farben der Kunststein-Innentreppen. Die Beleuchtung in den Küchen und der Ersatz der Arealbeleuchtung beschliessen die Modernisierung der Gebäude inklusive Erschliessung im Aussenraum.


Weitere Informationen zu Sibylle Prestel: raumfarbe.ch